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Lexikon

Spätlese

Spätlese ist eine Qualitätsstufe für Wein, die zu den Prädikatsweinen gehört. Heutzutage wird das Prädikat im deutschsprachigen Raum für Weine mit einem bestimmten Mindest-Mostgewicht (gemessen in Grad Oechsle) verwendet.

Das vorgegebene Mindest-Mostgewicht variiert je nach Anbaugebiet in Deutschland und manchmal sogar innerhalb eines Anbaugebiets je nach Rebsorte. Spätlese liegt in der Kategorie oberhalb von Kabinett und unterhalb von Auslese.

Der Begriff Spätlese wurde 1775 im Rheingau geprägt. Damals wurde den Weingütern in der Region die Erlaubnis zur Weinlese von den Gemeinden vorgeschrieben. Allerdings gab es eine Ausnahme für das Schlossgut Johannisberg, das dem Bistum Fulda gehörte. Die Mönche von Johannisberg mussten die Erlaubnis zur Weinlese direkt beim Fürstbischof von Fulda einholen.

Aus unbekannten Gründen verzögerte sich die Rückkehr des Boten, der die Erlaubnis überbringen sollte, in einem bestimmten Jahr. Währenddessen wurden die Trauben von der Grauschimmelfäule (Botrytis cinerea) befallen. Obwohl die Mönche dachten, die Ernte sei verloren, haben sie die Trauben geerntet und daraus Wein hergestellt.

Als sie im folgenden Frühjahr den jungen Wein probierten, waren sie von seiner außergewöhnlichen Qualität überrascht. Seitdem hat sich der Begriff Spätlese für besonders hochwertige Weine eingebürgert und gleichzeitig wurden die positiven Effekte der Edelfäule entdeckt.

Seit 1971 müssen in Deutschland Qualitätsweine mit Prädikat Spätlese folgende gesetzlich festgelegten Herstellungs- und Qualitätsnormen erfüllen:

  • Sie müssen zur Leseprüfung angemeldet sein,
  • die Trauben dürfen erst nach der allgemeinen Lese, vom Spätlesetermin an, der durch den Herbstausschuss der jeweiligen Gemeinde festgesetzt wird, gelesen werden 
  • die Trauben müssen beim Mostgewicht einen Mindestwert überschreiten: Im Allgemeinen sind das 85° Oechsle, im Weinbaugebiet Baden je nach Rebsorte 86° bis 95° Oechsle.
  • Eine Anreicherung der Moste durch Zugabe von Zucker ist nicht gestattet.
Nach deutschem Weingesetz ist die Anreicherung bei allen Qualitätsweinen mit Prädikat, zu denen auch die Spätlese gehört, grundsätzlich verboten. Anders als in Deutschland ist es in Frankreich bis in die höchsten Qualitätsstufen zulässig, dem unvergorenen Most Zucker zuzusetzen.

Da es in kühlem Klima, z. B. an der Mosel, passieren kann, dass die Moste nicht vollständig durchgären und stehenbleiben, gibt es dort traditionell auch restsüße Spätlesen. Viele Jahrzehnte lang stand der Begriff Spätlese vor allem für solche natürlich restsüßen Weine, die man auch durch Unterbrechung der Gärung mittels Kühlung oder Filterung erzeugen kann.

Es hat sich bei vielen Weintrinkern die Vorstellung festgesetzt, Spätlesen seien immer süße Weine. Doch in den letzten Jahren werden immer mehr Spätlesen vorwiegend trocken ausgebaut, sodass ein Großteil des Zuckers vergoren ist.
Diese sind auf dem Etikett in der Regel mit dem Zusatz "trocken" versehen. Fehlt dieser Hinweis, so ist davon auszugehen, dass der Wein über eine höhere Restsüße verfügt.